#110 Gesichertes Wissen – Für die Jüngeren und Neugierigen unter uns


Einen Sachverhalt wirklich zu beweisen ist nicht ganz einfach und auch viele Erwachsene haben ein eher diffuses Verständnis davon, was ein Beweis sein könnte. Dies machen sich auch einige Konter-Argumentationen von Theisten zu nutze. Hier zwei Beispiele via Reddit:

a) Beweis für die Existenz der Antarktis?

b) Beweise, dass du ein Gehirn hast!

Es bietet sich an, diese Beispiele einmal mit dem eigenen Nachwuchs durchzuspielen – es lohnt sich! Auch Erwachsene neigen in der Regel erst zu bequemen, doch unbefriedigenden Antworten, weil wir das Wissen einfach als gesichert akzeptiert haben und nicht gewohnt sind gesichertes Wissen zu verteidigen.

Bei der Frage nach dem Beweis für die Existenz der Antarktis sind wir heute (als Bürger ohne Jacht oder Privatjet) praktisch in der selben Situation wie unsere Ahnen vor 200 Jahren – doch immerhin haben wir viel mehr und zeitnahere Quellen. Es stellt sich die Frage nach der vertrauenswürdigen Quelle oder überhaupt der Beweiskraft von Quellen. An dieser Stelle sollte vielleicht auch noch ein Hinweis zu Verschwörungstheorien angebracht werden…

Bei der Frage nach dem Gehirn bieten sich heute zwar zahlreiche einige Möglichkeiten an, das Gehirn tatsächlich auch bei Lebenden nachzuweisen – doch die interessantere Frage wäre jene nach der Beweiskraft von Deduktion oder Induktion.

EDIT 1 – Die Geschichte (b) mit dem Gehirn (es soll gezeigt werden, dass auch Dinge existieren, die wir nicht unmittelbar überprüfen können – also existiert auch Gott…) ist ein Auszug aus einem, unter evangelikalen Christen beliebten, hypothetischen Dialog. Der Dialog entwickelt sich zwischen einem (ziemlich lahmen) Professor und einem (scheinbar) flinken Studenten – als Pointe wird zum Schluss der flinke, christliche(?!) Student als Albert Einstein (der war aber Atheist und jüdischer Abstammung) ausgegeben. Es handelt sich natürlich bloss um eine erfundene Bekehrungsgeschichte. Eine Parodie korrigiert die Geschichte – der Professor antwortet nun nicht mehr so unbedarft… zur Parodie (etwas dubiose Site – Text durchaus anspuchsvoll)

EDIT 2 – Um die Sache von Deduktion & Induktion bei (b) etwas zu veranschaulichen: Kann von einem „Gehirnnachweis“ bei einem sezierten, toten Tier (einem Fisch? einem Vogel? einer Ratte?) auf das Vorhandensein des eigenen Gehirns geschlossen werden? Bei einem sezierten, toten Menschen? Welche Vorbedingungen müssen erfüllt sein (Bin ich ein Mensch? Sind Menschen in anatomischen Belangen mit anderen Tieren vergleichbar? Offenbar gibt es Tiere ohne Gehirn, kann man deshalb Menschen ohne Gehirn doch nicht ausschliessen?)? Ab wie vielen sezierten Tieren kann auf alle Tiere geschlossen werden, ab wie vielen sezierten Menschen?

Es mag sich zunächst etwas merkwürdig anhören, doch die Gedanken zu den Vorbedingungen sind entscheidend: Simple Induktion (vom Einzelfall zum Allgemeinen) kann keinen Beweis liefern – man braucht eine Theorie, gegen die man testen kann und muss feststellen, dass ein „Beweis“ eine ganz andere Qualität hat, als man es erwarten würde. Naturwissenschaft kann Hypothesen/Theorien nur falsifizieren (und lediglich spezifische Einzelfälle verifizieren), dennoch handelt es sich – bei genügender Robustheit – um Beweise.

Auch soll man nicht leugnen, dass es auch bei dieser Frage meistens bei der Quellenfrage bleibt. Trotz prinzipieller und einfacher Überprüfbarkeit haben die wenigsten Menschen je selbst Schädel gespalten, geöffnet (Trepanation) oder Gehirne durchs Foramen magnum aus dem Schädel gezerrt – weder bei einem einzigen Tier und noch viel weniger bei einem Menschen. – Die Frage nach der Übertragbarkeit dieses quellen-basierten Wissens auf den eigenen Körper bleibt dennoch und macht die Frage gerade für Kinder sehr spannend.

3 Gedanken zu „#110 Gesichertes Wissen – Für die Jüngeren und Neugierigen unter uns

    • Ich habe nachträglich noch etwas zu Deduktion/Induktion angefügt. Diese Begriffe sagen ja nicht allen etwas – es ist aber ein Gebiet in dem ich mich nur laienhaft auskenne (Wissenschaftstheorie kommt in der naturwissenschaftlichen Ausbildung nicht/nur am ganz am Rande vor – tragisch) – ich hoffe keine Verschlimmbesserung vorgenommen zu haben.

    • Ja – es gibt keinen Induktionsbeweis in der empirischen Welt. Induktion generiert zwar Wissen: Aber unsicheres.
      Wissen wird ja klassisch als »justified true belief« definiert: Ich weiß also, dass ich ein Gehirn habe, wenn ich daran glaube, ich gute Gründe habe, daran zu glauben, und es »wahr« ist. Nun ist natürlich unklar, was gute Gründe sind und wann etwas »wahr« ist – aber Induktion ist zumindest ein guter Grund, würde ich sagen: Nichts spricht dagegen. »Wahrheit« ist dann ja oft sozial definiert: Wenn Menschen, denen ich vertraue und die sich auskennen, etwas für wahr halten, dann ist es wahr. Also weiß ich, dass ich ein Gehirn habe – auch wenn mir dafür ein logisch notwendiger Beweis fehlt.

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